Text: Swantje Küttner, Bilder: Arthur Pelchen, Reisezeit November 2018 bis Januar 2019 | Erschienen im Trotter 188
Sechs Tage nach unserer Abreise Ende November 2019 nach Madagaskar verkündet Arthur mit diesem Post unsere neue Urlaubsdestination:
»Wir haben gestern Madagaskar Richtung Mauritius verlassen, da wir dort offiziell unerwünscht sind. Ich hatte leider die mir natürlich unbekannte madagassische Ministerin für Handel und Konsum – sicher nicht gerade sehr freundlich – gebeten, im Flugzeug doch wie alle andere auf das Aussteigen zu warten und sich nicht mit Gewalt an mir vorbei zu drängen. Die Szene nach der Landung in Antananarivo an Board der Business-Class eines äthiopischen Flugzeuges – also eigentlich extraterritorial – hat uns dann ohne Ende Ärger gemacht – auch wenn zumindest scheinbar alle anderen – inklusive des Ministers für öffentliche Sicherheit und des Ministers für Tourismus auf unserer Seite waren. Am Ende hatten wir ein beschränktes Visum im Pass und keinen Bock auf mehr Willkür und Korruption und haben unser geplantes Programm daher abgebrochen.«
Ich habe es noch sehr genau vor Augen, wie die Frau ihren Koffer mit Schwung zwischen Sitz und Arthur vorbei schieben will. Wir wundern uns über das unserer Meinung nach nicht angemessene Verhalten. Sie zischt noch was von »trouble« für uns. Ja, den haben wir in den nächsten drei Tagen reichlich.
Visumprobleme


Nach dem Healthcheck und dem Kauf der Visa werden wir bei der Immigration abgefangen und zur Polizeistation gebracht. Arthur wird die Einreise verweigert. Er kann in einem Mix auf Englisch und Französisch seine Sicht darlegen, ein Protokoll wird aufgenommen. Alle Polizisten samt der Chefin der Flughafenpolizei sind sehr nett und machen deutlich, dass es ihnen leidtut. Mit der Auflage, uns in zwei Wochen wieder in Tana (so die Kurzform von Antananarivo) vorzustellen und das Visum zu verlängern, sind wir im Land. Was für eine Aufregung und was für ein erster Einblick in das neue Land.
Am nächsten Morgen wollen wir vor dem Start zu unserer gebuchten Paddel- und Wandertour im Nationalpark Tsingy de Bemaraha noch versuchen, das Visum zu verlängern. Das Innenministerium ist so »wuselig« wie die gesamte Stadt. Wir finden mit etwas Suche die richtige Stelle und sind schnell ernüchtert. Ganz so einfach ist eine Visaverlängerung nicht. Es wird eine Bestätigung einer anderen Behörde benötigt, wobei uns unklar bleibt, welche gemeint ist. Knackpunkt ist, dass man die Verlängerung fünf Tage vor Ablauf des Visums beantragen muss. Das ist mit unserer gebuchten Tour und deren Ende in Morondava an der Westküste mit einer langen Rückfahrt nach Tana nicht zu vereinbaren. Unsere Stimmung ist entsprechend. Wir können nur nach der Tour ausreisen. Arthur erinnert sich an den Tipp im Reiseführer zur einfachen Visaverlängerung: Ausreisen auf die Komoren, ein kleiner Inselstaat nordwestlich von Madagaskar. Das wäre ein Plan.
Doch ein Anruf der Flughafenpolizei am Nachmittag bei unserem Guide Bernis ändert erneut unsere Pläne. Wir sollen am nächsten Tag wieder in Tana erscheinen. Die Ministerin widerspricht Arthurs Aussagen und glaubt, wir wären geflohen. Es soll zu einem direkten Treffen kommen. Hat die Ministerin für Handel nichts anderes zu tun? Sie ist mittlerweile eine Ministerin auf Abruf. Am Vormittag war das Wahlergebnis für die Präsidentschaftswahl verkündet worden. Amtsinhaber Hery Rajaonarimampianina ist nicht wiedergewählt worden, damit wird auch das Kabinett ausgetauscht.
Auf der Polizeiwache

Wir starten früh um fünf Uhr in Tsiroanomandity nach einer schlecht geschlafenen Nacht und stellen uns fünf Stunden später erneut in der Polizeiwache am Flughafen vor. Die zuständige Kollegin hört sich alles an. Dann erscheint die Chefin der Flughafenpolizei. Sie berichtet Bernis auf Französisch, dass es inzwischen Gespräche zwischen drei (abgewählten) Ministern gäbe. Sie hätte Rückendeckung von ihrem Chef, dem Sicherheitsminister, der Tourismus-Minister stehe auch hinter uns, nur nicht die Handelsministerin. Beim Vorgespräch bittet sie drum, dass wir sagen, wir hätten die letzten zwei Tage auf dem Flughafen verbracht. Das lehnt Arthur ab, weil es unrealistisch und einfach eine Lüge ist. Statt der Handelsministerin taucht ihr Protokollchef auf. Wir verstehen nichts. Der Protokollchef ruft seine Ministerin an, die Polizeichefin lässt sich das Handy geben und redet sehr selbstbewusst auf die Ministerin ein. Wir werden gebeten, den Raum zu verlassen. Als der Protokollchef das Büro verlassen hat, dürfen wir zurückkehren und bekommen zu hören, dass wir nun ein Visum für die volle Zeit bekommen. Mehrfach hören wir »sorry« und freuen uns leider zu früh. Denn zunächst muss noch ein Protokoll aufgenommen werden, wo wir die zwei Tage waren. Das dauert auch seine Zeit. Als das erledigt ist, bleiben unsere Pässe bei der Polizeiwache zur weiteren Bearbeitung, wir sollen im Restaurant warten. Im Restaurant sehen wir erneut den Protokollchef der Handelsministerin und wundern uns, dass er noch da ist. Hier wäre viel Platz für Spekulationen. Gibt es noch eine Runde im Visakampf? Wir wissen es nicht, wir wissen nur, dass sich am Visazustand in unseren Pässen drei Stunden nach der Zusage nichts geändert hat. Wir haben immer noch ein Visum für vier Wochen, das handschriftlich auf zwei reduziert wurde. Die Chefin ist nicht mehr da. Wir sollen am nächsten Tag wiederkommen.
Wir quartieren uns erneut in das nahe Gästehaus am Flughafen ein. Wirklich gut gehen tut es uns mit Kopfschmerzen und einem flauen Gefühl im Bauch nicht. Immer wieder geht mir durch den Kopf, dass ich aus irgendwelchen Gründen nicht nach Madagaskar wollte. Aber ich konnte nicht sagen, warum. Nur der Beginn der Regenzeit reichte meinem Mann nicht für eine Änderung der Reisepläne.
Am nächsten Tag ist die Chefin der Flughafenpolizei wieder nicht da und wird auch heute nicht erwartet. Sie hat mehrere Jobs! Die hübschen Kleider, der teure Schmuck und das große Auto wollen bezahlt werden. Die Kommissarin lässt sich wieder alles erklären und alle Unterlagen zeigen, also die Daten des Rückfluges und die Daten der gebuchten Tour und blättert und blättert in den Pässen. Auch das bleibt eine Spekulation, ob sie sich dort Geld erhofft. Sie versteht das Problem nicht. Wir hätten doch ein Visum und könnten dann verlängern. Es ist nicht einfach mit einem Mix aus Englisch, Französisch und Madagassisch zu kommunizieren, wenn auch unser Guide Bernis mit seinem sehr gutem Englisch eine große Hilfe ist.
Mitten im Machtkampf
Nach gut einer Stunde beenden wir das Ganze. Wir müssen einsehen, dass wir hier in einem Machtkampf geraten sind, zwischen einigen Ministern und ihren Mitarbeitern, aber auch zwischen den Polizisten am Flughafen. Unser Guide hat uns erzählt, dass Polizeianwärter um die 5.000 Euro vor einer Ausbildung zahlen müssen, um in die Polizeischule aufgenommen zu werden. Das Geld muss verdient werden – vermutlich eher durch Bezahlungen abseits der Gesetze. Aber so für ein Visum zu zahlen, geht für uns gar nicht.
Wir hatten schon am Vorabend nach Alternativen in der Nähe gesucht. Die Komoren, die Seychellen und Mauritius kommen in Frage. Wir entscheiden uns für letzteres.
Mauritius

Nun heißt es also Urlaubmachen auf Mauritius. Mit meinem sehr geringen Wissen hatte ich Mauritius als teure Strand-Destination eingeschätzt. Keine Frage, es gibt viele Top-Hotels, aber es gibt auch alle anderen Preisklassen und günstige Appartements. Wir buchen an unserem ersten Tag über booking.com unsere Unterkünfte für die gesamte Zeit, da wir nicht einschätzen können, ob es über Weihnachten und Neujahr eng wird. Ob in Blue Bay, La Goulette, Flic en Flac und Pointe Aux Cannoniers – der Strand ist niemals weit. Alle sind frei zugängig, auch vor den teuren Hotels. Mauritius ist damit das erste Land, wo wir bei der Einreise noch nicht einmal einen Reiseführer dabei haben. Zum Glück gibt es in der Unterkunft einen, die weiteren Infos holen wir uns aus dem Internet. Mauritius hat 1,2 Mio. Einwohner, ist auf Platz 65 der Einkommensliste und wird gut und »sauber« regiert. Alles macht – auch nach fünf Wochen -einen guten und verlässlichen Eindruck. Die Bevölkerung spricht Französisch und Englisch, die Supermärkte sind mehr als gut gefüllt, auch mit vielen europäischen und australischen Produkten. Da wir keine Führerscheine dabei haben, kommt ein Mietwagen nicht in Frage. Das Bussystem ist gut, preisgünstig und es gibt Fahrscheine mit aufgedruckten Preisen!
Trotz der 30 Grad und der 90 % Luftfeuchtigkeit wandern wir viel. Der Le Morne Brabant gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe, ist das Wahrzeichen von Mauritius und 556 Meter hoch. Im 19. Jahrhundert flohen Sklaven auf den Berg und stürzten sich in den Tod, als ihnen am 1. Februar 1835 eine Polizeiexpedition folgte. Doch die Polizei wollte sie über das Ende der Sklaverei in Mauritius informieren. Seit kurzem kann man den Berg ohne Führer besteigen. Erst ist es ein breiter, im Anstieg sehr gemäßigter Weg, mal in der Sonne, mal im Schatten. Nach der Hälfte wird es ein enger, recht steiler Weg, der es immer mal wieder erfordert, dass die Hände zum Einsatz kommen. Ganz nach oben kommt man nicht, da dann wirklich Klettern angesagt wäre. So gibt es leider kein Rundum-Panorama, aber dennoch schöne Blicke auf die Küste. Eine weitere Wanderung führt uns auf das Dach von Mauritius, den Little Black River Peak mit einer Höhe von 828 Metern. Nach zwei Stunden und 500 Höhenmetern auf dem Kamm werden wir mit einem Rundum-Panorama über die gesamte Insel belohnt. Etwas mühsam ist eine Wandertour entlang der Tamarin-Wasserfälle, wir müssen uns einen Weg durchs dichte Grün schlagen.
Port Louis




In der Hauptstadt Port Louis erkennt man noch die französische Kolonialzeit. Der Markt ist mit den Litschis, Mangos, Ananas, Bananen und Papayas, den vielen Kräutern und Unmengen von Chilis und Gewürzen ein farbenfrohes Erlebnis für Augen und Nase. Natürlich muss man in Port Louis die Blaue Mauritius im Blue Penny Museum anschauen, die Briefmarke im geschätzten Wert von mehreren Millionen Euro. Jeweils eine der letzten zwei bzw. vier unbenutzten Exemplare dieses Fehldrucks gibt es, das erstaunlich wenig gesichert ist und werden pro Stunde nur wenige Minuten beleuchtet.
Im Norden ist die Bucht bei Grand Baie ein Hingucker mit ihrem extrem blauen Wasser. In Trou-aux-Biche tauchen wir mit einem U-Boot in eine Tiefe von 35 Metern ab. Wir sehen ein altes Wrack, Fische schauen direkt in die Bullaugen hinein. Der Botanische Garten in Pamplemousses ist mit seinen riesigen Bäumen, dem Lotus-Becken und den Riesenseerosen ein Besuch wert.
Fazit für Mauritius


Wir hatten ruhige fünf Wochen auf Mauritius. Ich schließe einen erneuten längeren Aufenthalt nicht aus. Die deutlich längeren Tage des Sommers auf der Südhalbkugel sind schön. Es lässt sich einfach gut leben! Nicht unerwähnt bleiben sollte die Zyklon-Warnung. Gut eine Woche gehört das mehrfach tägliche Schauen nach aktuellen Bulletins des Wetterdienstes dazu. Arthur ist gleich Feuer und Flamme für diese neue Erfahrung. Ich bin froh, dass wir auf Mauritius sind. Mein Gefühl sagt mir, dass dieses Land die Auswirkungen einen Zyklon »händeln« könnte. Aber nach einem Tag mit kräftigem Regen und zwei stärker bewölkten und windigen Tagen ist alles vorbei. Der Zyklon rauschte in der Nacht zwischen Mauritius und Rodrigues vorbei. Der aufregendste Moment war, als uns das Hotelpersonal das Carepaket mit Toast, Butter, Jogurt und Kaffeepulver in die Hand drückte.
Die Rückreise über Madagaskar
Auf Mauritius erwägen wir, direkt von dort nach Hause zu fliegen. Politische Unruhen nach der Stichwahl sind in Madagaskar nicht auszuschließen. Kommen wir wirklich ins Land? Da unsere gebuchten Flüge nicht stornierbar sind, wagen wir es. Wir reisen ohne Probleme ein und verbringen zwei Tage meist Fotos sortierend am Pool des uns nun gut bekannten Hotels in der Nähe des Flughafens. Nur einmal haben wir noch das Gefühl, im falschen Film zu sitzen.
Wir sitzen bereits wieder in der zweiten Reihe der Business-Class (Buchung auf Meilen hat es möglich gemacht!), als vor uns die Chefin der Flughafenpolizei Platz nimmt. Sie kann sich ein Business Class-Ticket leisten!?!? So lange wir auf madagassischen Boden sind, sagen wir nichts, auch während des Fluges nicht. Bringt eh nichts. Aber in Addis fragt sie nach unserem Urlaub in Madagaskar. Da kann Arthur nicht anders. Die gute Dame schluckt deutlich, als sie hört, sie wäre ein Teil des korrupten Systems. Ein Mitreisender erklärt daraufhin, dass das mal gesagt werden musste.
Fazit

Auch Monate nach dieser Erfahrung wissen wir es nicht, wie wir alles bewerten sollen. Wir kennen über 30 afrikanische Länder, haben über eineinhalb Jahren auf dem afrikanischen Kontinent verbracht. Außer ein paar Diskussionen mit Polizisten über Stoppschilder und angeblich zu schnelles Fahren hatten wir bislang keine Probleme. Bei der Visabeantragung und bei Einreisen kennen wir Wartezeiten, aber es ging nie ums Geld. Hätten wir in Antananarivo Geld in die Pässe gelegt, hätte sich vermutlich schnell etwas bewegt. Aber das war für uns ein absolutes No-go. Nach den Erlebnissen hatten wir noch eine Menge über Madagaskar gelesen, auch das Buch »Kulturschock Madagaskar«. Vieles ist uns jetzt klarer und verständlicher. Madagaskar ist das fünfärmste Land der Welt mit einer mehr als desolaten Infrastruktur und korrupten und machtgeilen Politikern. Beide Kandidaten für die Stichwahl waren übrigens Expräsidenten mit zweifelhafter Vergangenheit und Ruhm, die ihrem Land schon in der Vergangenheit teuer zu stehen kamen. Hätte uns dieses Wissen abgehalten, dahin zu reisen? Wir wissen es nicht. Madagaskar steht für lange Zeit nicht (mehr) auf unserer Bucket-Liste. Die Paddel- und Wandertour in den Nationalpark Tsingy de Bemaraha, eines der sehenswertesten Naturwunder unseres Planeten, mit seinen einzigartigen Kalksteinformationen hätte uns sicher begeistert. Auch die Menschen, die wir an den vier bzw. zwei Tagen kennengelernt haben, waren freundlich. Der Eindruck auf unserer Tour über Land war farbenfroh und afrikanisch, wie wir es kennen und mögen, mit dem Gewusel und den Unzulänglichkeiten. Die negativen Erfahrungen werden bleiben. Aber es gab auch unvergessliche Begegnungen mit den Lemuren, kleinen Primaten, die ausschließlich auf Madagaskar vorkommen. Wir sahen zahlreiche Arten im Lemurenpark vor den Toren Tanas, sehr dicht und wenig scheu. Im Zoo von Tana dürfen wir sie sogar füttern, eine wirklich besonderes Vergnügen, deren kleine Finger am eigenen Finger zu spüren.
![Deutsche Zentrale für Globetrotter e.V. [dzg]](https://dertrotter.de/wp-content/uploads/2025/10/DZG_LOGO_grey-1024x577.png)
Unterwegs-Sein
Swantje Küttner ist freiberuflich als PR-Beraterin, Journalistin und Autorin tätig und schreibt gerne über ihre Reisen, zuletzt in der Ausgabe 185 über Seoul. Über die Touren mit dem Allradwohnmobil finden sich ausführliche Reiseberichte unter www.geu-on-tour.de. Über die Transafrikatour 2005 berichtet sie in ihrem Buch »Die volle Packung Afrika«, über die Schwarzmeerumrundung 2010 in »Eine Reise ums Schwarze Meer.«