Text und Bilder: Wilhelm Duijts, Reisezeit: Februar/März 2017 | Erschienen im Trotter 188
Ich hatte gerade den Film »Gorillas im Nebel« gesehen und hab mir gedacht: Da musst Du auch mal hin. Ohne zu wissen, dass das für einen normale Menschen wie mich jemals möglich sein würde. Ausgerechnet im Jahre 1994, dem Jahr des Völkermordes in Ruanda, wollte ich meine Idee in die Tat umsetzen und wurde jäh gestoppt. Später, Ende der 90er Jahre, als sich die Lage in Ruanda noch nicht wieder genügend beruhigte sah ich Bilder vom Ruwenzorigebirge (Grenze Uganda / Ostkongo) und war von seinem Pflanzengigantismus beeindruckt. Da man auch in Uganda Berggorillas sehen konnte entschloss ich mich eine Tour zu planen mit Ruwenzoribesteigung und Gorillatracking im Biwindi Impenetrable Nationalpark und oben drauf noch im Mgahinga Nationalpak (beide Uganda). Der letztere hängt direkt mit dem Volcanoes NP in Ruanda und dem Virunga NP im Ostkongo zusammen. Auch auf diese Tour musste ich einige Jahre warten, da sich wegen des zweiten Kongokrieges Rebellen im Ruwenzori versteckt hatten und dieser gesperrt war. Im Jahre 2002 wurde der Berg für Touristen wieder freigegeben und ich war mit meinem Kumpel damals einer der ersten, die nach dem Krieg wieder in diesem Gebiet waren.
Impenetrable heißt übersetzt „undurchdringlich“. Und so ist auch dieser Wald. Mit 6 Touristen, die für ein Tracking zugelassen waren, versperrt immer einer den Blick auf die Gorillas weil zu wenig Platz da ist. Wenn es kein Tourist ist, ist es das Blätterwerk. Die Gorillagruppen sind klein und verstreut. Man sieht nicht viele Gorillas auf einmal. Da war mir klar: Ich muss noch einmal zu den Berggorillas und zwar nach Ruanda in den Volcanoes NP, wo ich eigentlich beim ersten Versuch schon hin wollte. Dieser Park ist offener, nicht so viel Gestrüpp und die Gorillagruppen sind größer.
Nach einem erfüllten Reiseleben griff ich jetzt erst wieder die Idee auf, zu den Gorillas zurückzukehren. Dieses Mal sollte es ein Menschenaffenspecial werden: Schimpansen und Berggorillas in Uganda, Bergorillas in Ruanda und der östliche Flachlandgorilla im Ostkongo.
Sowohl Uganda als auch Ruanda haben eine sehr schwierige Vergangenheit hinter sich. Umso erstaunlicher ist es, dass beide Länder heute relativ sicher zu bereisen sind, bis auf Norduganda, und als Vorzeigestaaten in Afrika gelten. War in 2002 in Uganda noch viel Militär unterwegs, habe ich dieses Mal kaum Uniformierte im Straßenbild beobachtet.
Nach einem Safari-Vorprogramm im Murchison Falls NP fuhren wir nach Fort Portal, dem Ausgangspunkt für das Schimpansen Tracking im Kibale Forest. Auf dem Weg dorthin dann das was jeder Afrika Reisende wohl schon zur Genüge gesehen hat: Straßenbau auf Chinesisch; auf 50km Länge. Dieses Mal nur die Führungsriege aus China, die Arbeiter Schwarze. Oft genug kommen auch die Arbeiter aus China und es gibt dann Probleme. Unser Fahrer sagte, es ist nicht mehr so wie früher -Infrastruktur gegen Bodenschätze. Heute gewinnen die Chinesen jede Ausschreibung über den Preis.
Kibale Forest
Der Kibale Forest hat eine Größe von 766km² und hat eine der höchsten Primaten-Dichten der Welt. Von ca. 1400 Schimpansen sind etwa 350 habituiert. Die Wahrscheinlichkeit Schimpansen zu sehen liegt bei 80-90%. Die Ranger sind über Funk verbunden und irgendeiner trifft mit seiner Gruppe immer auf Schimpansen. So auch dieses Mal. Unser Ranger bekommt Bescheid, dass Schimpansen gesichtet wurden. Unsere Gruppe wird schneller und geht schon fast in den Laufschritt über. Ich sehe zu, dass ich direkt hinter dem Ranger bin. Im Gegensatz zu den standorttreuen Gorillas sind Schimpansen ständig unterwegs, wenn sie nicht gerade auf einem Baum sind. Und wenn ein Schimpanse geht, musst Du rennen um mitzuhalten. Und das ganze durch dichtes Gestrüpp. Diese Erfahrung hatte ich schon bei einem Schimpansen Tracking in der Elfenbeinküste gemacht.
Und dann plötzlich drei Schimpansen vor uns. Der Ranger hinterher und ich direkt dahinter rennend mit Filmkamera. Mein Herz schlägt schneller, weniger vor Anstrengung, mehr vor Aufregung. Hinter mir niemand mehr. Die anderen werden von den anderen Rangern eingesammelt und zu dem Punkt gebracht wo die Affen Rast machen. Inzwischen sind alle auf irgendeinem Baum. Wir müssen die Hälse nach oben recken mit Kamera im Anschlag. Und warten bis der Affe herunter guckt. Als er das tut hört man sofort das klack, klack, klack… der Kameras. Zufrieden verlassen wir den Wald. Kosten für das Schimpansen Tracking: 150 Dollar.
Biwindi Impenetrable NP
Auf dem Weg zum ersten Gorilla Tracking machen wir noch einen Abstecher. Ein paar Kilometer abseits der Piste lebt eine kleine Gruppe von „ehemaligen“ Waldpygmäen. Sie erzählen uns, dass Sie früher in dem Wald lebten in dem die Berggorilas sind. Irgendwann war es nicht mehr erlaubt dort zu leben und sie mussten den geliebten Wald verlassen. Hier in der Village sind sie natürlich nicht so glücklich.
Beim ersten Gorilla Tracking im Jahre 2002 war ich noch am Haupteingang in Buhoma. Doch der ist weit weg auf der anderen Seite des Parks. Heute gibt es einen Eingang direkt an der Hauptpiste nach Ruanda. Der Ort heißt Ruhija und liegt bereits in 2360m Höhe. Beim Spaziergang durch den Ort entdecken wir vor etwa jeder dritten Hütte jemanden der mit einer uralten Singer-Nähmaschine etwas näht. Im ganzen Ort gibt es nur einen einzigen Platz, den man „Gaststätte“ nennen könnte und in dem es Bier gibt. Wir lassen uns nieder und trinken ein Nile-Special. Jetzt sind wir für das Tracking am nächsten Morgen gerüstet.
Wir fahren zum Gate und es folgt das Briefing. Nicht etwa Gruppenweise mit 6 Leuten wie 2002. Ein Briefing für alle etwa 50 Touristen. Die Gruppengröße ist jetzt 8. Es wird mehr oder weniger belangloses Zeug geredet. Die wichtigen Dinge werden beiläufig erzählt. Maximal 7 m Abstand. Bei den Gorillas in die Hocke gehen und diese niemals direkt in die Augen sehen. Jede Gruppe darf max. eine Stunde bei den Gorillas bleiben. Das wichtigste aber fehlt: Man darf nicht erkältet sein um die Gorillas nicht anzustecken. Das kann tödlich ausgehen. Damals wurde das gecheckt. Dann erfolgt die Gruppenaufteilung. Wir bekommen als Gorillagruppe eine Forschungsgruppe zugeteilt. Auch die 600 Dollar Parkeintrittsgebühr scheinen nicht zu verhindern dass es viel zu viele Besucher für die wenigen habituierten Gorillas gibt. Hier im Biwindi gibt es auf 331km² ca. 400 Berggorillas und 10 habituierte Gorillagruppen. Die Gruppengröße der Gorillas ist etwa 7-14.
Wir in unserer Reisegruppe sind 5 Leute, alle körperlich fit und bekommen noch für das Tracking 3 Holländer zugelost. Alle nicht ganz so dünn. Das kann ja was werden. Denn das Gelände im Biwindi ist von allen Gorillaparks das schwierigste. Hier empfiehlt es sich Kletterhandschuhe und Gamaschen anzuziehen. Es geht direkt steil bergab. Es ist glitschig, da es geregnet hat. Einmal der Schlamm und dann die Farne bzw. die Blätter auf den Boden. Zum Festhalten gibt es erst einmal nichts, da wir durch einen Farnwald laufen. Wer ins rutschen kommt landet auf dem Hosenboden. Da ist es besser wenn die große Kamera im Rucksack ist und die Gopro im Brustgurt die das ganze filmt. Irgendwann kommen wir in eine richtigen Wald mit Bäumen zum festhalten. Aber Achtung! Die meisten haben Dornen; deswegen die Kletterhandschuhe.
Das das mit den Holländern nicht gut geht war mir klar. Nach nur 20 min knickt die übergewichtige Tochter um. Es macht Knacks und sie schreit wie am Spieß. Scheiße. Irgendwas im Knie ist kaputt. Der Chef-Ranger ruft den „afrikanischen Hubschrauber“. Also 4 Mann, die dann die Dame wieder nach oben tragen. Das ganze dauert natürlich und unsere Fünfergruppe geht mit dem zweiten Ranger weiter. Nach einer halben Stunde schließt der erste Ranger wieder zu uns auf, erstaunlicherweise mit den Eltern. Wir hatten eigentlich gedacht, dass sie Ihre Tochter in dieser Situaion nicht alleine lassen, denn sie musste noch viele Stunden in den nächsten Ort in ein Krankenhaus gebracht werden.
Wenn die Ranger die Gorillagruppe aufgespürt haben, werden die Rucksäcke abgelegt die Kameras rausgeholt und schussbereit gemacht. Dort riecht man auch schon, dass die Gorillas in der Nähe sind. Das viele Grünzeug was die futtern bewirkt Blähungen und verleiht dem Pups eine besondere Note. Der Moment, wenn man zum ersten Mal einen Gorilla sieht ist gigantisch. So ein Silberrücken ist 2m groß und wiegt 200kg. Der silberne Rücken entwickelt sich nach etwa 10 Jahren. Die jungen Burschen werden Schwarzrücken genannt. Die Weibchen sind 1,5m groß und wiegen 100kg.
Wie schon damals sehen wir wieder nur 3 oder 4 Gorillas. Immer ein anderer Tourist oder Gestrüpp im Weg. Sorry, ich bin verwöhnt. Habe 7 Gorilla Trackings hinter mir. Aber wer die Möglichkeit hat zu wählen, der soll anstatt in den Biwindi besser in den Volcanoes NP nach Ruanda gehen. Außer den 4 Parks, die ich in diesem Artikel beschreibe, war ich auch in Französisch-Kongo und der Zentralafrikanischen Republik bei den westlichen Flachlandgorillas.
Ruanda und der Volcanoes NP

An der Grenze zu Ruanda war ich richtig enttäuscht, dass wir nicht auf Plastiktüten durchsucht wurden. Und erleichtert. Ich hatte nämlich meine dreckigen Schuhe, wie auf jeder Reise, in Plasiktüten verstaut. Habe noch keine Alternative gefunden. Dafür benutze ich seit 20 Jahren immer die gleichen Plastiktüten. Ruanda hatte 2012 als erstes Land der Welt ein Plastiktütenverbot durchgesetzt und dies auch an der Grenze kontrolliert. Was aber kontrolliert wird ist der Impfpass mit dem Gelbfiebereintrag.
In Ruanda wird erst einmal die Straßenseite gewechselt. In Uganda noch Linksverkehr dank der Briten ist in Ruanda rechts fahren angesagt. Hier sollte man tunlichst auf die Gewindigkeitsbegrenzung von 60km/h achten. Es wird kontrolliert. Die meisten Touristen übernachten in Musanze, früher Ruhengeri. Ich erkunde erst einmal die Stadt und habe im nu einen Begleiter. Der ist nett und nicht so aufdringlich und so frage ich ihn nach einem Ort, wo man ein Bier trinken kann. Der führt mich auch zum besten Ort auf einen Dachgarten, wo man einen guten Blick auf die Vulkane hat.
Der Volcanoes NP in Ruanda, der Virunga NP im Kongo und der Mgahhinga NP in Uganda bilden das Hauptgebiet in dem die Berggorillas leben. Hier etwa 480 Tiere. Zusammen mit dem Biwindi in Uganda etwa 880. Zwei Vulkane sind über 4000m hoch, der höchste der Karisimbi mit 4507m und drei weitere Vulkane sind über 3000m. Der Sabinyo liegt im Dreiländereck. Der Volcanoes NP ist nur 125km² groß und wurde wegen des enormen Siedlungsdruckes mehrfach verkleinert. Von 1967 bis 1985 lebte und forschte hier die berühmte Gorillaforscherin Dian Fossey nachdem Sie im Kongo vertrieben wurde. Am Ende wurde sie ermordet. Das Grab kann besichtigt werden, habe ich aber nicht gemacht.
Am Gate gibt es für die etwa 200! Touristen erst einmal Tanzvorführungen. Dann die Aufteilung der Touristen auf die Gorillagruppen. Hier geht es zu wie auf einem arabischen Bazar. Der Ranger, der die Aktion leitet nennt die Gorillagruppe und jeder Guide nennt die Anzahl seiner Touristen. Wer am lautesten schreit bekommt zuerst den Zuschlag. Der Ranger: „Hier fehlen noch drei. Wer hat drei zu bieten“. Mehrere Guides melden sich. Und so weiter. Unser Guide konnte sich erst spät durchsetzten, so dass ich Angst hatte, dass wir leer ausgehen. Welch eine Vorstellung! Eigentlich wollten wir eine schwierige, also weit entfernte Gorillagruppe. Die Susagruppe soll 29 Mitglieder haben. Später erfuhr ich dass diese sich geteilt hat und nicht mehr die beste Gruppe ist. Alle Gruppen seien die Besten und ich glaube das ist auch so. Wir haben eine leichte Gruppe bekommen. Nur eine Stunde Tracking. Leicht bergauf auf gut zu laufenden Pfaden. Erst durch Farmland. Dann ein 1m hoher Steinwall. Dahinter beginnt der Wald. Verrückt wie eng hier Menschen die Gorillas zusammen leben.
Nach dem Aufspüren der Gorillagruppe wieder erst Rucksack ablegen, Kamera rausholen und noch 10m durch das Dickicht. Mindestens 10 Gorillas sichtbar und weitere in der Nähe. Und ein Silberrücken hoch oben im Baum. Ein großer Baum mit dicken Ästen. Die müssen schließlich 200kg tragen. Dann klettert er runter. Unten Weibchen mit Ihren Kindern und junge Männchen. Wir sind teilweise nur noch 3 m entfernt und können Einzelheiten erkennen, wie z.B. die Hände und wie sie sich gegenseitig lausen und die Gesichtsmimik. Das sieht doch alles schon sehr menschlich aus. Ein Kind krabbelt erst auf Muttis Bauch herum. Dann versucht es minutenlang auf einen kleinen Baum zu klettern und rutscht immer wieder ab. Dann hängt es mit nur einem Arm am Ast und strampelt mit den Füßen in der Luft. Drolliger geht’s nicht. Da hört man wieder das klack klack der Fotoapparate die Serienaufnahmen machen. Ich filme die meiste Zeit um nichts zu verpassen. Zum Beispiel den Absturz auf Muttis Bauch.
Die Stunde ist schnell vorbei und wir müssen gehen. Das hat sich gelohnt. Darauf habe ich so lange gewartet. Ja, die 750 Dollar Parkeintrittsgebühren sind viel Geld. Aber das Geld wird ja für den Schutz der Gorillas ausgegeben. Ein paar Monate später wurde die Gebühr auf 1.500 Dollar angehoben!
Wieder in Musanze angekommen verabschiede ich mich von der Gruppe, die nach Kigali zum Flughafen fährt und nach Hause fliegt. Ich treffe mich mit einem neuen Fahrer und bin von nun an allein. Von Musanze aus geht es zunächst Richtung Gisenyi am Nordufer des Kivusees. Von hier oben sieht man die so gebeutelte kongolesische Grenzstadt Goma mit 500.000 Einwohnern. Während des Völkermordes in Ruanda kamen eine Millionen Flüchtlinge (und Täter) hierher. In 2002 zerstörte der Vulkan Niyragongo nach einem Ausbruch weite Teile der Stadt und den Flughafen. Auch während der Kongokriege war Goma Ziel von Gewalt.
Im weiteren Verlauf verschlechtert sich die Straße dramatisch und geht schließlich in eine 100 km lange Baustelle über, die nur noch aus Schlamm besteht. Wieder chinesische Baumaschinen und Bauleiter. Die Arbeiter Schwarze. Es regnet. Ohne Allrad geht hier gar nichts mehr. Ein Bus der festgefahren ist wird von den Passagieren irgendwann befreit und wir können weiterfahren. Dann auch ein Truck der sich festgefahren hat und mit der Schaufel eines Baggers aus seiner Misere herausgedrückt wird. Wir haben einen Nissan und keine Probleme. Vor uns taucht ein weiterer Geländewagen auf, in dem offensichtlich Touristen drin sind.
Als die Baustelle aufhört sind wir schon kurz vor Kibuye und halten an, hinter dem anderen Geländewagen. Zwei Deutsche die schon mal in den 80iger Jahren auf der kongolesischen Seite waren, als es dort noch nicht so viele Probleme gab. Ich frage, ob sie die DZG kennen. Nein kennen sie nicht. Ich treffe sie dann wieder in Kibuye im einzigen Restaurant mit Blick auf den Kivusee. Die einzigen anderen Gäste sind offensichtlich hohe Militärs.
Als ob nichts gewesen wäre fahren wir nun auf einer gut ausgebauten Asphaltstraße, fast wie eine Autobahn. So soll dann wohl der nördliche Teil der Straße nach der Fertigstellung aussehen. Wir kommen also doch noch am selben Tag in Cyangugu an am Südufer des Kivusees. In der Unterkunft bin ich der einzige Tourist. Beim Abendessen treffe ich eine große Gruppe Missionare. Hauptsächlich Amerikaner, aber auch einige Europäer darunter eine Deutsche. Von alt bis jung alles dabei.


Der Kongo und der Kahuzi-Biega NP
Für die ostkongolesische Grenze galt, zumindest zu meiner Reisezeit, ein Abkommen dass für Touristen, die nur die nahgelegenen Nationalparks besuchen wollen, ein Visum an der Grenze erteilt wird. Normalerweise gilt für den Kongo, dass man sich vorher das Visum besorgen muss. Mit der Visaerteilung an der Grenze hatte ich in Afrika gute Erfahrungen gemacht. Ohne Französisch Kenntnisse war dies aber sehr problematisch. Mit dem Ausgefüllten des Antragsformular, dem Reisepass sowie 100 Dollar bewaffnet dachte ich, dass jetzt alles sehr schnell gehen würde. Nach Abgabe der Unterlagen passierte erst einmal nichts. Es war nur ein Beamter anwesend, der als solcher aber nicht zu erkennen war, da er keine Uniform trug sondern nur zerissene Kleidung. Mein Pass lag auf irgendeinem Tisch. Nachdem längere Zeit nichts passierte ging ich ins Office und er fing an zu telefonieren. Ich verstand, dass der zuständige Officer für das Visum nicht anwesend war. Mein Pass und die 100 Dollar gingen von nun an durch mehrere Hände und ich musste aufpassen, dass nicht jemand damit verschwand. Das ganze dauerte eineinhalb Stunden und ich wurde nervös, da ja noch am gleichen Tag im 40km entfernten Kahuzi-Biega NP mein Tracking zu den Östlichen Flachlandgorillas stattfinden sollte. Dann kam einer der wirklich wie ein Officer aussah und mir den Stempel in den Pass drückte. Auch mein ruandischer Fahrer hatte einige Mühe über die Grenze zu kommen.
Nun waren wir in Bukavu, einer Stadt mit 800.000 Einwohnern. Was für ein Moloch, noch schlimmer als Kinshasa wo ich vier Jahre vorher gewesen bin. Ich fühle mich richtig unsicher und dachte nur: Hoffentlich müssen wir nicht anhalten und aussteigen. Nach fünf Minuten hielt uns die Polizei an. Die dachten wohl, da sitzt ein Weißer drin den man abkassieren kann. „Den Führerschein bitte“, der Führerschein war da. „Die Fahrzeugpapiere“, auch die waren da. Nun wollten sie noch die Versicherungskarte, auch die hatte mein Fahrer dabei. Zu guter Letzt noch der TÜV-Bericht! für das Fahrzeug. Nachdem auch dieser vorgezeigt werden konnte durften wir weiter fahren, ohne Bakschisch bezahlt zu haben. Viele UN-Fahrzeuge waren in Bukavu unterwegs. Eine Orientierung war selbst für meinen Fahrer kaum möglich und so haben wir immer wieder Jungens auf Mopeds angeheuert, die uns durch die Stadt lotsten.
Auch auf dem Weg zum Nationalpark immer wieder UN-Fahrzeuge und Militär. Wir befinden uns in der Südkivu Provinz, vom auswärtigen Amt mit einer Teilreisewarnung versehen. Viel zu spät kommen wir am Nationalpark an. Außer mir waren noch zwei andere, auch Deutsche, für den Tag zum Gorilla Tracking angemeldet. Mein Glück, dass auch sie zu spät ankamen. Es waren zwei Entwicklungshelfer, die in Bukavu stationiert waren und mal einen Tag freigenommen hatten. Keine anderen Touristen. Die Anfahrt zum Einstiegspunkt war grenzwertig. Eine derart verschlammte Piste mit solch extrem tiefen Spurrillen habe ich noch nicht erlebt. Der Wagen rutschte hin und her, kippte zur Seite. Am Einstiegspunkt warteten bereits unsere Fährtensucher, Waldpygmäen. Neben dem Ranger war auch noch ein Bewaffneter dabei.
Der Kahuzi-Biega Nationalpark hat eine Gesamtfläche von 6.000km² und ist benannt nach den gleichnamigen Vulkanen Kahuzi 3308m hoch und Biega 2790m hoch. Hier leben noch ca. 3.800 östliche Flachlandgorillas. Der Schwierigkeitsgrad des Trackings ist als mittel einzustufen und liegt irgendwo zwischen dem im Biwindi und dem im Volcanoes NP. Heute regnet es nicht aber alles ist durch die Regenfälle der vergangenen Tage aufgeweicht. Wir sind im Übergang von Trockenzeit zu Regenzeit und dies ist vermutlich das letzte Tracking bis zum Beginn der nächsten Trockenzeit. Mit nur drei Touristen, alle recht fit, geht es schneller voran. Wir sind alle sehr gespannt gerade weil hier nicht so viele Touristen hinkommen und es auch gelegentlich Unruhen gibt und auch Gruppen im Nationalpark unterwegs sein können, die nicht unbedingt an das Wohl von Tier und Mensch interessiert sind.
Nach etwa einer Stunde sind wir schon bei den Gorillas. Diesesmal bekommen wir einem Mundschutz, wie damals beim westlichen Flachlandgorilla. In diesem Punkt zumindest hat der Kongo den anderen etwas voraus. Wir haben perfekte Bedingungen. Kein Regen, nur 3 Touristen und wieder ca. 10 Gorillas in halbwegs offenem Gelände. Wir befinden uns auf einer Höhe von 1800m gegenüber 2200m bei den Berggorillas. Ich sehe aber sofort den Unterschied. Diese hier haben mehr gemeinsam mit dem westlichen Flachlandgorilla im westlichen Kongobecken. Flachlandggorillas sind größer, haben einen bulligeren Kopf und kürzere Haare. Wirklich zu sehen ist der Unterschied aber nur bei den Silberrücken. Die Kinder sind alle gleich knuffelig. Und wie überall sehr neugierig. Sie kommen uns so nah, dass sie uns fast anfassen können. Wir weichen zurück. Dann trommelt sich einer auf die Brust. Zwei Dinge fallen mir hier auf. Hier gibt es wesentlich mehr Insekten, vor allen Dingen kleine Wespen, die die Gorillas piesacken. Und die Art und Weise der Nahrungszuführung ist anders. Ein Stengel mit Blättern wird quer in den Mund genommen und durch die Zähne gezogen so dass die Blätter hängen bleiben und nur diese gegessen werden. Der Stengel wird dann weggeworfen.
Viel zu schnell vergeht wieder die Stunde. Aber auch hier hat sich die Parkgebühr von 400 Dollar gelohnt. Ich hatte schon in den 90er Jahren von der Existenz des Kahuzie-Biega Nationalparks gelesen und hatte mir in den Kopf gesetzt irgendwann einmal hierher zu kommen. Die Rückfahrt geht viel schneller als die Hinfahrt. Erst einmal den Bewaffneten Begleiter in sein Dorf gebracht. Zur Begrüßung verhaut der erst einmal sein Kind bis es weint. Hier wächst man mit Gewalt auf. Wider Militär und UN-Fahrzeuge. Noch durch den Moloch von Bukavu und ich war selten so froh eine Grenze zu sehen. Gerade noch vor Einbruch der Dunkelheit bin ich wieder in Ruanda. Asphaltstraße und das Gefühl wieder in der Zivilisation zu sein, sicher zu sein.
![Deutsche Zentrale für Globetrotter e.V. [dzg]](https://dertrotter.de/wp-content/uploads/2025/10/DZG_LOGO_grey-1024x577.png)
Unterwegs-Sein
Nach dem Studium des Maschinenbaus war meine erste Fernreise 1991 nach Kenia bestimmend für mein weiteres Reiseleben: Expeditionsreisen und Tauchen. Nach der Kilimanjarobesteigung folgten die Tafelberge von Venezuela, die Baumhausbewohner in West-Papua. Sieben Expeditionen im Amazonasgebiet, fünf im Kongobecken, drei in West-Neuguinea, vier in der Zentralsahara in Libyen, Algerien, Niger und Tschad. Schwerpunkt waren immer indigene Völker, besondere Tiere und spektakuläre Landschaften. 30 Reisen in Afrika, 15 in Lateinamerika dazu Borneo, Sumatra, Neuguinea und der Pazifik. Im letzteren zum Tauchen. Hier war der Schwerpunkt immer Großfisch, vor allem Haie. Auch als Taucher habe ich die weltbesten Spots besucht: Galapagos (Ecuador), Cocos (Costa Rica), Malpelo (Kolumbien), Socorro (Mexiko), französich Polynesien, Palau, Mosambik, Südafrika und natürlich Malediven und Ägypten. Alle Reisen innerhalb 2-3 wöchiger Urlaube, also während des normalen Jahresurlaubes, konsequent 2-mal pro Jahr. Willi ist seit 1998 dzg-Mitglied.